Cochlea-Implantat
Seit nunmehr 30 Jahren werden in der HNO-Klinik am Klinikum rechts der Isar Cochlea-Implantationen durchgeführt. An unserer Klinik selbst, sowie in Zusammenarbeit mit anderen Instituten der Technischen Universität München und unseren internationalen Kooperationspartnern sind wir in mehreren Forschungsprojeken engagiert, um unseren Patienten eine Versorgung auf dem neuesten Stand der Wissenschaft anzubieten.
Die CI-Sprechstunde vor einer möglichen Operation, sowie die Nachbehandlung finden in den freundlichen Räumen des Hörzentrums München statt.
Ein Cochlea-Implantat ist keine Hörhilfe, sondern eine Hörprothese. Anders als ein Hörgerät, arbeitet es nicht als Schallverstärker zur Unterstützung eines geschädigten Ohres. Vielmehr ersetzt es die Funktion des Innenohres, indem es den Hörnerv direkt elektrisch stimuliert.
Hierzu wird eine Reizelektrode möglichst nahe an die Hörnervenfasern herangebracht. Sie wird in der CI-Implantation in die flüssigkeitsgefüllten Hohlräume der Hörschnecke eingeführt.
Das CI-System besteht aus internen und externen Komponenten:
Über ein Mikrofon am Sprachprozessor (1) werden die Schallschwingungen aufgenommen. Der Sprachprozessor verarbeitet das akustische Signal, indem er eine Frequenz- und Lautstärkencodierung vornimmt (welche sonst im Innenohr stattfindet) und berechnet ein elektrisches Impulsmuster. Diese Information wird von der durch einen Magneten gehaltenen Sendespule (2) durch die Haut zum Implantat (3) übertragen. Das Implantat prüft die empfangene Information und reizt über die Elektrode (4) den Hörnerv (5).
Abbildung: mit freundlicher Genehmigung der Firma MED-EL, Innsbruck
Ein CI ist eine Möglichkeit zur Versorgung bei einer Ertaubung des Innenohres bzw. der hochgradigen bis an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit.
Das CI ist keine Alternative zum Hörgerät: Ein CI kommt grundsätzlich nur für Patienten in Frage, deren Hörvermögen trotz Versorgung mit leistungsstarken konventionellen Hörgeräten auf dem betroffenen Ohr für die freie lautsprachliche Kommunikation nicht mehr ausreicht.
Cochlea-Implantationen werden sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen durchgeführt. Die Altersspanne der bisher am Klinikum rechts der Isar mit einem CI versorgten Patienten liegt zwischen neun Monaten und 93 Jahren. Wenn taub geborene Säuglinge zeitnah mit einem CI versorgt werden, ist in der Regel eine nahezu normale Sprachentwicklung gewährleistet.
Sowohl die beidseitige Versorgung mit einem CI ist seit Jahren etabliert, als auch die CI-Versorgung von Patienten mit einseitiger Taubheit (und kaum eingeschränktem Gegenohr). Nur das Hören mit beiden Ohren ermöglicht erst das Richtungshören. Ein beidseitiges Hören verbessert das Sprachverständnis in geräuscherfüllter Umgebung und ist weniger anstrengend.
Gerade für Kinder und deren Eltern ist die Hör-/Sprachentwicklung mit dem CI mit einem intensiven Arbeits- und Lernprozess verbunden. Um eine realistische Einschätzung der individuellen Voraussetzung zu bekommen, sind einige Punkte bei Säuglingen und Kindern besonders zu beachten und im Vorfeld abzuklären. Dazu gehören unter anderem die genaue Diagnostik möglicher Entwicklungsstörungen und chronischer Erkrankungen, sowie die Sicherstellung, dass das Umfeld des Kindes eine kontinuierliche technische Betreuung und Spracherziehung ermöglicht.
Das Verstehen mit einem Cochlea Implantat muss erst geübt werden: Die CI-Elektrode erzeugt nämlich ein Impulsmuster am Hörnerv, welches nicht identisch ist zum Reizmuster, das ein gesundes Innenohr erzeugt.
Wenn das CI zum ersten Mal eingeschaltet wird (was ca. 4 - 6 Wochen nach der Operation geschieht, wenn alle Wunden entsprechend abgeheilt sind), nehmen die Patienten zwar sogleich über einen weiten Frequenzbereich Töne oder Geräusche wahr, können diese häufig aber noch nicht richtig deuten und deshalb auch Sprache nicht sofort verstehen.
Für die Erstanpassung nehmen wir unsere erwachsenen CI-Patienten nochmals für eine Woche bei uns auf. Für die meisten ist der neue Klang sehr ungewohnt. Zusammen mit unseren Logopäden üben die Patienten, in dem neuartigen Klangerlebnis Schritt für Schritt die Sprache wiederzuerkennen. Bei Kindern ist bei fehlender Kooperation auch eine "objektive Einstellung" anhand der ableitbaren Reizantworten des Hörnerven (NRT, ART) möglich. Im Allgemeinen schafft es ein großer Teil der Patienten, nach der ersten Woche bereits einem Gespräch in ruhiger Umgebung zu folgen. Bei Erwachsenen erfolgen die ersten Kontrollen nach der Anpassung nach 3, 6 und 12 Monaten. Im Anschluss führen wir eine jährliche medizinische und technische Nachsorge-Untersuchung durch.
Trotz optimaler Anpassung und Nachsorge erreicht man mit dem CI nur in wenigen Ausnahmen eine Hörleistung, die mit der eines Normalhörenden vergleichbar ist. Generell erfordert das Hören mit dem CI eine deutlich erhöhte Konzentration und sobald lautere Umgebungsgeräusche hinzukommen, bekommt auch ein sehr guter CI-Patient Schwierigkeiten mit dem Sprachverständnis, vor allem, bei nur einseitiger Versorgung.
Das Implantat wird in einer ein- bis zweistündigen Operation unter Vollnarkose eingesetzt.
Zuerst wird die Haut direkt hinter der Ohrmuschel eröffnet (die Narbe ist unter den Haaren später nicht mehr sichtbar). Im Knochen hinter dem Ohr wird eine Mulde für das Implantatgehäuse geschaffen, so dass es später nicht verrutschen kann und sich nicht als Beule unter der Kopfhaut abzeichnet. Nun wird millimeterweise unter dem Operationsmikroskop der Knochenfortsatz hinter der Ohrmuschel (der sogenannte Warzenfortsatz) aufgebohrt - dies geschieht mit Spezialbohrern mit kugeligen Bohraufsätzen.
Auf diese Weise gelangt der Chirurg zum Mittelohr. Auf dem Weg dorthin identifiziert der Chirurg das Gleichgewichtsorgan, den Gesichtsnerv und den Geschmacksnerv. Die Integrität des Gesichtsnervs wir während der gesamten Operation mit einem sogenannten Neuromonitoring kontrolliert.
Im Mittelohr, dem ca. 1 cm großen luftgefüllten Raum hinter dem Trommelfell, befindet sich (neben den Gehörknöchelchen) auch der Eingang zum Innenohr, zur Hörschnecke. Die Hörschnecke wird in der Regel in der Rundfensternische durch Einschneiden der Rundfenstermembran eröffnet, durch das die Stimulationselektrode etwa 20 - 30 Millimeter tief in die zweieinhalb Spiralwindungen der Hörschnecke eingeführt wird. Die Eröffnung der Hörschnecke und Insertion der Elektrode geschieht dabei atraumatisch (sog. soft surgery) um eventuell vorhandenes Restgehör bestmöglich zu erhalten. Diese Stelle wird sogleich wieder abgedichtet, anschließend das Elektrodenkabel und das Implantat fixiert und die Haut mit Nähten verschlossen.
Direkt nach der Operation kann es gelegentlich zu Schwindel kommen, ansonsten ist der Eingriff verhältnismäßig wenig belastend und auch wenig schmerzhaft. Unsere Patienten können in der Regel innerhalb von vier Tagen wieder entlassen werden.